Grosses SPICK-Interview mit Nico Müller

«Zuerst war es nur ein Hobby»

© Foto: Audi Communications Motorsport

Nico Müller ist in Thun geboren und nun – wie es scheint – auf der Rennstrecke Zuhause. Seit 2014 mischt er die Motorsport-Szene in der Deutschen Tourenwagen Meisterschaft (DTM) im Audi-Boliden auf. An der letzten Meisterschaft wurde er Vizemeister. Im Interview erzählt der Berner Oberländer, wie er es so weit gebracht hat.

Nico, die offensichtlichste Frage zuerst: Warum wird man Rennfahrer? Hattest du schon immer Benzin im Blut?
Vielleicht nicht unbedingt von Anfang an. Ich bin nicht in einer Familie aufgewachsen, die viel mit Motorsport am Hut hatte. Ich bin eher auf zwei Rädern, auf dem Mountainbike, gross geworden und habe in diesem Sport auch meine ersten Wettkampferfahrungen gemacht. Dann bin ich über meinen Cousin eher zufällig zum Kart-Sport gekommen, wovon ich schnell total begeistert war. Vor etwa 17 Jahren bin ich mit einem uralten Mini-Kart meine ersten Rennen gefahren. Aber vorerst blieb es bei einem Hobby, wenn auch bei meinem grössten.

Hättest du dir als Teenager den Erfolg, den du zurzeit hast, erträumen können?
Nicht wirklich. Ich weiss noch, wie ich 2005 mein erstes Rennen live geschaut habe. Das war das DTM-Finale in Hockenheim. Ich habe dort wahre Legenden fahren sehen. Und Jahre später teilte ich plötzlich die gleiche Rennbox und dieselben Ziele mit ihnen. Das war surreal. Auf dem Weg zu diesen Zielen denkt man aber gar nicht so viel nach und probiert einfach, Spass zu haben und das Maximum aus sich selbst und dem Auto rauszuholen. Mein Erfolg war einfach eine Konsequenz aus all dem. Und schon auch ein Traum, der in Erfüllung gegangen ist.

Welche Eigenschaften zeichnen dich als Rennfahrer aus und haben zu deinem Erfolg beigetragen?
Ein gewisses Talent muss man sicher mitbringen, doch Talent habe viele. Also muss man irgendwie selber den Unterschied machen. Und dazu gehören bei mir sicher mein Ehrgeiz und das ständige Suchen nach Optimierung. Ich bin sehr selten zufrieden, auch mit mir selber. Ich versuche immer, mich zu verbessern und herauszufinden, woran ich mit dem Team arbeiten muss, damit wir noch stärker werden.

Kannst du vom Motorsport leben?
Tatsächlich kann ich, seit ich 2014 den Vertrag bei Audi unterschrieben habe, von meiner Leidenschaft leben. Wenn man von dem, was man am liebsten macht, seine Rechnungen bezahlen kann, ist das der Hammer. Aber es steckt natürlich auch Arbeit dahinter. Dennoch fühle ich mich privilegiert, von meiner Leidenschaft leben zu können.

Wie hast du den Sprung in die DTM geschafft?
Nach dem Kart musste ich mich unter anderem in der Nachwuchstourenserie unter Beweis stellen. Dort gibt es Nachwuchs-Scouts, die sich die Rennserie anschauen und die sich das eine oder andere junge Talent herauspicken, das dann auch mal ein DTM-Auto fahren darf. Man wird dabei mit den anderen Nachwuchsfahrern verglichen und auch an den Referenzzeiten der Stammfahrer der DTM gemessen. Und so war es auch bei mir. Ich habe mich damals unter anderem gegen Namen durchgesetzt wie Carlos Sainz, der heute in der Formel 1 fährt oder Tom Blomqvist, der Formel E gefahren ist. Das hat sehr viel Spass gemacht.

Wäre die Formel 1 auch etwas für dich?
Die Formel 1 war sicher ein Bubentraum und es ist immer noch die Königsklasse unseres Sports. Im Moment konzentriere ich mich auf die DTM und bin sehr happy damit. Ich schaue weniger in Richtung Formel 1. Natürlich würde ich aber nicht nein sagen, wenn ich mal ein solches Auto bewegen dürfte.

Wie muss man sich das Leben eines Rennfahrers vorstellen?
Während der Saison gibt es nicht viel Freizeit. Da pendelt man zwischen Rennen, Testfahrten, Presseterminen und Marketinganlässen. Zwischen April und Oktober ist Vollgas angesagt. Natürlich bin ich zwischendrin mal zwei oder drei Tage Zuhause in der Schweiz aber viel Zeit bleibt dafür während der Saison sicher nicht.

An einem DTM-Rennwochenende ist es bestimmt hektisch. Training, Qualifyings, Rennen. Was ist deine Strategie, damit du ruhig und konzentriert an den Start gehen kannst?
Ja, hektisch ist es wirklich. Nicht nur wegen der Rennen, sondern auch wegen Presseterminen zwischendrin. Im Vergleich zur Formel 1 kommt der Fan wesentlich näher an uns und die Autos heran. Umso wichtiger ist es deshalb auch, dann vor den Rennen zur Ruhe zu kommen. Ich steige meistens etwas früher ins Auto, denn dort spricht auch niemand mehr mit ihr – ausser dem Renningenieur. Diese fünf bis sechs Minuten, die ich für mich habe, sind fast am wertvollsten.

Und zum Schluss: Was würdest du jemandem raten, der auch Rennfahrerin oder Rennfahrer werden möchte?
Einfach das machen, woran man Freude hat und wo man Leidenschaft dafür entdeckt. Im Motorsport ist dann sicher der Kart-Sport der richtige Einstieg. Dort bekommt man das Gespür für das Fahrzeug, den Zweikampf und das Verhalten im Rennen. Dann muss man sich dort die Sporen abverdienen und abschätzen, ob man den nächsten Schritt ins Rennauto auch noch machen will. Dann muss man sicher guten Kontakt mit Sponsoren pflegen um die Finanzierung, die sich vielleicht etwas schwieriger gestalten wird, aufzustellen. Wenn man es aber wirklich will und bereit ist, alles dafür zu geben, dann ist alles möglich.

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