Grosses SPICK-Interview mit Salomé Kora

«Das war die grösste Niederlage für mich»

Bild: Bodo Rüedi

Die zweitschnellste Schweizerin Salomé Kora bereitete sich gerade intensiv auf die Olympischen Spiele in Tokio vor, als das Corona-Virus ihr, wie so vielen anderen Sportlern auch, einen dicken Strich durch die Rechnung machte. Die Ostschweizer Sprinterin war eigentlich voller Optimismus, erklärt im Interview aber auch, wie schnell sich das Blatt wenden kann – wenn sie an die bisher schwierigste Situation in ihrer Karriere zurückerinnert.

Sie haben einen eher untypischen Karrierestart hingelegt. Sie sind erst mit 17 Jahren zum LC Brühl dazugestossen – weil Ihr Vater Sie bat, etwas Sinnvolles in Ihrer Freizeit zu tun. Was war der Unterschied zu den vorherigen Malen, als Sie beispielsweise beim Leichtathletikverein LA Gossau wieder aufgehört haben?
Ich war eine eher kurze Zeit bei der LA Gossau, als ich etwa 12 Jahre alt war. Was mir damals nicht so gefiel, war, dass ich mehrere Disziplinen machen musste. Also beispielsweise auch Würfe und lange Strecken, was ich bis heute gar nicht gerne mache. Daher hatte ich zu diesem Zeitpunkt nie eine richtige Leidenschaft fürs Training entwickelt. Jetzt, spezialisiert auf das, was ich wirklich kann und gerne mache, gehe ich unglaublich gerne ins Training.

Ihnen hat es dann also sozusagen «den Ärmel reingezogen». Können Sie sich noch an den ersten «richtigen» Erfolg erinnern? An den Moment, als es bei Ihnen angekommen ist, dass Sie grosses Talent haben?
Mein erster Erfolg war eine Medaille an den U20-SM, zwei Jahre, nachdem ich begonnen hatte. Was mich aber in den ersten Jahren besonders motiviert hatte, war, dass ich sehr schnell Fortschritte machte. Mein erster Trainer hat mich schnell gelehrt, dass es immer ein Erfolg ist, wenn man seine eigene Bestzeit verbessern kann. Das war dann auch immer meine grösste Motivation.

Zu diesem Erfolg sind mittlerweile viele dazugekommen, wie beispielsweise Schweizer Vizemeisterin oder den vierten Platz an den Weltmeisterschaften mit der Staffel. Eine langwierige Fussverletzung machte Ihnen in der Vergangenheit jedoch zu schaffen. Wie gehen Sie mit solchen Rückschlägen um?
Die Rückschläge meiner Karriere waren bisher auch immer die lehrreichsten und motivierendsten Momente. Nach jedem Rückschlag kam ich stärker zurück, da ich während dieser Zeit mich und meinen Körper besser kennen lernen durfte. Mittlerweile sehe ich Verletzungen, aber auch sonstige Rückschläge als Teil des Prozesses und sie motivieren mich immer enorm.

Spitzensport ist ein hartes Pflaster. Sich ständig konkurrieren müssen, den Vergleich standhalten, die Kritik eingestehen. Wie gehen Sie mental damit um?
Der mentale Aspekt des Spitzensports ist wahrscheinlich die grösste Herausforderung. Vergleiche mit anderen ist Teil des Business und ja auch ein Grund, warum ich diesen Sport liebe. Kritik gehört ebenfalls dazu. Bei Kritik, aber auch gut gemeinten Tipps von allen Seiten, ist es wichtig, filtern zu können und auf sich selbst zu hören. In der ganzen mentalen Geschichte ist aber meist man selbst sein grösster Gegner. Die Erwartungen und den Druck an sich selbst zu relativieren, muss ich immer wieder lernen.

Welches war die wohl grösste Herausforderung oder Niederlage Ihrer Karriere?
Das war letztes Jahr, als ich über 100m nach der Hälfte der Saison meine Form und mein Gefühl für den Wettkampf nicht wiederfand. Entsprechend konnte ich an den Weltmeisterschaften meine Leistung nicht abrufen und qualifizierte mich nicht fürs Halbfinale. Das wegzustecken, mich zu sammeln und mich danach auf die Staffel zu konzentrieren, war eine grosse Herausforderung.

Die mentale Stärke ist das Eine, auf der anderen Seite ist der Körper, der ebenfalls ständig in Höchstform sein muss. Wie sieht ein typischer Tag oder Woche bei Ihnen aus?
Eine typische Woche besteht aus sieben geleiteten Trainings, ein oder zwei selbstständigen Trainings und dazu kommen noch zwei Mal Pilates. Fast täglich auf dem Programm steht eine Stretching- und Rumpfsession.

Hand aufs Herz: Wie bringst Sie das alles unter einen Hut? Sie studieren an der Pädagogischen Hochschule, wollen Lehrerin werden. Daneben sind Sie Spitzenathletin.
Die Pädagogische Hochschule St.Gallen kommt mir bei der Stundenplanung und den Absenzen sehr entgegen. Auch mein Trainer ist sehr flexibel und versteht, dass ich mein Studium abschliessen will. Durch eine gute Planung, aber auch die nötige Flexibilität von allen Seiten ist das Ganze also gut machbar.

Sie sind als Sechsjährige mit Ihrer Familie nach Westafrika gezogen und lebten dort fünf Jahre. Wie Sie einmal sagten, lebten Sie dort im Busch, Ihre Freizeitbeschäftigung war das Jagen von Hühnern. Welche Erinnerungen haben Sie noch an die Zeit?
Ich bin extrem dankbar, dass ich einen Teil meines Lebens in meinem zweiten Heimatland leben durfte. Ich habe fast nur schöne Erinnerungen an die Zeit. An was ich aber am liebsten zurückdenke, ist die viele Zeit in der Natur, aber auch das Leben in einer Gesellschaft, in der die Menschen unglaublich offen, positiv und sozial sind. Ja und die beninische Küche gehört für mich zur besten der Welt.

Zurück in der Schweiz muss der Kulturschock riesig gewesen sein. Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann der Schweiz den Rücken zu kehren? Oder sind Sie hier glücklich?
Ich bin sehr glücklich hier in der Schweiz und ich stelle mir meine Zukunft hier in der Ostschweiz vor.

In diesem Jahr wäre Tokio eigentlich ein grosses Ziel von Ihnen gewesen. Durch die Pandemie muss dies nun warten. Gibt es ein Ziel, welches Sie als Spitzensportlerin unbedingt einmal erreichen wollen?
Ich stehe jeden Tag auf und arbeite hart, um an einer EM, WM oder OS auf dem Podest zu stehen.

Zur Person
Salomé Kora ist eine Leichtathletin, die in Arnegg aufgewachsen ist. Mit 17 Jahren kam sie zum LC Brühl, wo schnell ihr grosses Talent entdeckt wurde. Nebst ihrer Karriere als Spitzensportlerin absolviert Salomé Kora ein Studium an der Pädagogischen Hochschule und will Oberstufenlehrerin werden.

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