SPICK Blog 008: Geschwindelt? Gelernt!

Ja was denn nun? Soll das Kind immer die Wahrheit sagen, oder soll es sich überschwänglich für ein Geschenk bedanken, das es nie haben wollte und auch nicht schön findet? In der Kindheit lernen wir die Spielregeln der Gesellschaft. Oft gehören kleine Unwahrheiten zu einem harmonischen, höflichen Miteinander dazu. Was aber tun, wenn das Kind lügt, weil es Angst hat oder weil die Scham der Peinlichkeit zu gross ist?

Bild: © Maria Surtu/shutterstock.com

Hallo und willkommen beim SPICK Blog! Vor wenigen Tagen hat unser 12-jähriger Junge einen Freund angerufen, um sich mit ihm für den Nachmittag zu verabreden. Die erste Frage, die sein Freund ihn während des Telefonats stellte war, wieso er gerade ihn angerufen habe. Die Antwort unseres Sohnes hat mich sehr überrascht: «Weil kein anderer Zeit hat». «Ganz schön ehrlich» murmelte ich ihm zu und habe mich darauf eingestellt, dass er den Nachmittag ohne Freund verbringen würde. Meine Überraschung war gross, als ich mitbekam, dass die Antwort für seinen Freund völlig in Ordnung war und beide den Nachmittag in bester Laune miteinander verbrachten. Ob er auch in drei, vier oder fünf Jahren noch so ehrliche Antworten gibt? Je älter wir werden, desto mehr spielen wir die gesellschaftlichen Spiele mit und taktieren mit der Wahrheit bei unseren Antworten und Aussagen. Wir bedanken uns überschwänglich für Geschenke, die wir gar nicht mögen und erwarten das auch von unseren Kindern. Wir wollen Mitmenschen nicht verletzen und vielleicht auch unsere Chancen bei einem Vorstellungsgespräch durch die eine oder andere «white lie» verbessern.

In der Kindheit lernen wir diese gesellschaftlichen Spielregeln. Wären diese kleinen Flunkereien die einzigen Lügen, wäre das Feld der Unwahrheiten ja noch überschaubar. Kinder testen mit Flunkereien auch ihre und unsere Grenzen. Wenn sie zum Beispiel steif und fest behaupten, dass sie bereits ihre Zähne geputzt hätten. Und das obwohl die Reste des Schoggi-Kuchens noch immer als dicker Belag auf ihren Zähnen zu sehen sind. Diese Tests sind ein wichtiger Teil ihrer Entwicklung. Geht es aber über die gesellschaftlichen Spielregeln und das Testen hinaus, sind wir als Eltern besonders gefragt! Egal ob aus Schamgefühl gelogen wird, weil dem Kind etwas peinlich ist. Oder sogar aus Angst, weil sie/er sich einer Herausforderung nicht gewachsen fühlt. Wenn ein Kind in Schwierigkeiten ist, mal so richtig Mist gebaut hat, ist es umso wichtiger für sie/ihn liebevoll und verständnisvoll da zu sein. Eine liebevolle vertrauensvolle Bindung ist für die Beziehung wichtig und kann in schwierigen Zeiten die Basis sein, um dem Kind aus einer für sie/ihn misslichen Lage zu helfen.

Übrigens: man kann ein Gespräch übers Mogeln und Lügen natürlich auch aktiv angehen. Als Familie spielen wir hin und wieder das Spiel «Mogel Motte» und nutzen die Gelegenheit, über Ehrlichkeit zu sprechen. Der Name des Spiels ist dabei Programm. Es gewinnt, wer am besten oder meisten Mogeln kann.

Ungelogen! Ein paar Tipps, zum verbindenden Miteinander:

  • Das A und O: bleib in der Situation ruhig, offen, verständnisvoll und lösungsorientiert, statt zu Schimpfen und Bestrafen! Sei möglichst gelassen – äusserlich und innerlich.
  • Wenn du dein Kind beim Lügen/Schwindeln «erwischt» hast, dann nimm deinem Kind die Scham, bei einer Lüge erwischt worden zu sein. Geh es offen und spielerisch mit einem Lächeln an. Dann hat es dein Kind einfach, die Unwahrheit zuzugeben und ihr könnt leicht in ein echtes Gespräch übergehen.
  • Wenn dein Kind gelogen hat, dann überlege mit ihr/ihm zusammen, wie sie/er beim nächsten Mal in einer ähnlichen Situation vorgehen kann, ohne zu lügen.
  • Ein vertrauensvolles Miteinander in der Familie sowie Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber dem Kind gelten als beste Voraussetzung dafür, ein «ehrliches» Kind zu erziehen.
  • Wenn du merkst, dass du auf Lügen deines Kindes stark reagierst, dann überprüfe deine innere Haltung und frage dich, warum es dich so ärgert ob es nicht eher etwas mit dir und deiner Geschichte zu tun hat.
  • Sei Vorbild und lüge dein Kind nicht an. Möchtest du eine peinliche Frage deines Kindes nicht beantworten, dann sage dies einfach offen und ehrlich. Erkläre deinem Kind, warum Ehrlichkeit ein wichtiger Wert ist und verurteile nicht pauschal jede Lüge oder Form von Lügen. So gibst du deinem Kind die eigenen moralischen Werte mit auf den Weg, ohne es zu verwirren.
  • Sei ganz offen und versuche herauszufinden, warum dein Kind gelogen hat. Hat es Angst vor Strafe, weil es beim Spielen etwas kaputt gemacht hat? Wollte es vor ihrem/seinem Freund besser dastehen? Oder war in diesem Moment das Piratenbuch einfach spannender als Zähneputzen?
  • Und last but not least: Wenn du dich stark ärgerst, dann schliesse kurz die Augen und stelle dir vor, du wärst schon 90jährig und hättest jetzt noch einmal die Gelegenheit, dein Kind in so jungen Jahren zu sehen und mit ihr/ihm noch ein einziges Mal als Kind zu sprechen.

Herzlichst,

Esther und Alex Volz

 

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Über die Autoren

Esther und Alexander Volz setzen ihren beruflichen Fokus auf Kinder, Jugendliche und Familien. Während Esther als Lerntherapeutin im direkten Austausch mit ihren Klient*innen ist, adressiert Alexander als Chefredaktor vom MiniSPICK und Jugendbuchautor eine breitere Leserschaft. Das Paar lebt mit ihren beiden gemeinsamen Kindern (10 und 12-jährig) am Thunersee.

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