Wie verführt man Kinder zum Lesen?

Wir haben den Schweizer Bestseller-Kinderbuchautor Carlo Meier befragt.

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Ist es wichtig, was Kinder lesen? Oder dass sie überhaupt lesen?
Beides. Lesen fördert nebst der Fantasie auch das Schreiben und Verstehen, was sich fächerübergreifend positiv auswirkt. Auch was sie lesen, ist wichtig: Sie möchten sicher auch nicht, dass Ihr Kind etwa gewaltverherrlichende Sachen liest. Bei Kindern finde ich es besonders wichtig, dass die Identifikationsfiguren, also die «Helden» in dem Buch, insgesamt ein aufbauendes Handeln und Denken fördern.

Muss man für Buben anders schreiben als für Mädchen?
Es klingt zwar wie ein Klischee, ist aber durch viele Erfahrungswerte gestützt; kurz gesagt: Die meisten Jungs wollen Action, Mädchen Beziehungen.

Stimmt es, dass Buben weniger lesen als Mädchen?
Ja, zumindest ab etwa zwölf Jahren eindeutig.

Warum ist das so?
Vermutlich, weil Jungs – salopp formuliert – lieber Fussball spielen als sich alleine mit einem Buch zu beschäftigen und weil sie sich mehr für Technik und Sachthemen interessieren, die sie sich nicht unbedingt in Form eines Buches zu Gemüte führen.

Wie kann man Buben dazu bringen, mehr zu lesen?
In dem Alter, in dem sie noch gerne Geschichten lesen: Möglichst spannend, möglichst keine «langweiligen» Stellen (also ja nicht zu viel «Beziehungskram»), genügend Action und ein Thema, das sie möglichst direkt anspricht. Danach, also ab etwa 13, 14 Jahren: Eine Computerzeitschrift herausgeben … 🙂 Die meisten Männer verabschieden sich ab diesem Alter lebenslänglich weitgehend vom Bücherlesen – es sei denn, wir sprechen von Fachbüchern.

Wie muss man schreiben, um Kinder heute zu begeistern?
Einiges gilt – wie oben für die Jungs beschrieben – auch für die Mädchen: Spannung, Witz, ein gutes Thema, das sie anspricht; das Lesen muss Spass machen. Dazu speziell für die Leserinnen: Interessante Beziehungen zwischen den Figuren mit möglichst einer «besten Freundin» dabei, und natürlich das Allerwichtigste: Die Hauptdarstellerin sollte verliebt sein, oder jemand in sie, oder es sollte sich mindestens etwas anbahnen, und wenn das nicht geht, dann bitte wenigstens bei der zweitwichtigsten Darstellerin.

Wie sind Sie selbst als Kind zum Leser geworden?
Mit möglichst spannenden Büchern, die möglichst wenige langweilige Stellen hatten! Ich bin erst relativ spät ein Bücherwurm geworden und voll auf englische Krimis im Stil von Agatha Christie abgefahren. Davor mochte ich auch Astrid Lindgren sehr gern – und das ist auch heute noch so.

Woher wissen Sie, was Kinder interessiert?
Die Kaminski-Kids-Serie schreibe ich mit meinen eigenen drei Kindern zusammen, was bestimmt der Grund dafür ist, dass wir so oft hören, die Kinder im Buch würden sprechen, denken und handeln wie wirkliche Kinder. Zudem halte ich rund 100 Lesungen pro Jahr, viele davon in Schulen von der 3. bis zur 6. Klasse in der ganzen Schweiz und in Deutschland – und da habe ich natürlich die Kinder eins zu eins vor mir und höre sehr genau, was sie packt und was nicht.

Haben Sie einen Tipp für Eltern von lesemüden Kindern?
Nicht einen, sondern zehn. Und bald sind es elf – im September kommt Kaminski-Kids-Band 11 heraus … 🙂 Nein, im Ernst: Wir erhalten zahllose Mails von Eltern, die uns schreiben «Endlich liest unser Kind» und von Kindern selbst, die uns schreiben, sie seien eigentlich keine Leseratten, doch mit den Kaminski-Kids habe sich das Blatt gewendet. Sehen Sie selbst im Gästebuch auf kaminski-kids.com kurz nach.

Zur Person: Carlo Meier ist 1961 in Zürich geboren, lebt seit 1986 als freier Autor in Zug (Schweiz). Er ist verheiratet und hat drei Kinder: Sidi (geboren 1985), Anuschka (1986) und Saskia (1989). Der Autor erhielt für seine Jugendkrimis, Romane und Drehbücher zahlreiche Auszeichnungen (European Script Fund, London, Pro Helvetia u.a.). Fernseh-Ausstrahlungen in ZDF, SF DRS sowie weiteren Sendern. Die Kinder- und Jugendbücher in seiner Reihe «Die Kaminski-Kids» werden von der «Pro Juventute» empfohlen und in Schulen eingesetzt. Der Autor wurde zu Lesungen in bisher über 1000 Schulklassen eingeladen. Anhand seiner Jugendbücher laufen Projekte an Schulen zu den Themen «Jugendgewalt» und «Sucht».

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